Mittwoch, 19. August 2015

1. Einleitung



Ich kann den Touristiker irgendwie nicht verleugnen. Weiß trotz Russland- und Asienlastigkeit, dass Hofer Reisen heuer im Charter von Linz nach Rostock fliegt. Dass Sylt nach wie vor das Topziel an der Nordsee ist. War bei einer tollen Präsentation der Deutschen Zentrale für Tourismus über Mecklenburg-Vorpommern. Aber ausschlaggebend für unsere heurige, außergewöhnliche Sommertour war allein der runde Hochzeitstag. Ende Juli vor zehn Jahren haben wir in der Hochzeitsschmiede im schottischen Gretna Green (>>>) geheiratet. Damit verbunden war das Weltententreffen und eine erlebnisreiche Honeymoon-Highland-Rundreise mit meinem Citroen 2cv, der wegen seiner vornehmen Silberlackierung "ArgENTa" heißt. Ganz selten sag ich Süverl zu ihr, was nicht ganz so vornehm ist. 
 
Beweisfoto :-)

Meine somit langjährige Angetraute, Lore, schlug als Jubiläumsreiseziel die Ostsee vor. Was auch mir sehr gefiel und ich dann in längeren Gesprächen (keinesfalls Diskussionen!) unwesentlich erweitern konnte. Mit ein bisschen Tschechien, Sachsen und Neubrandenburg, Polen, Dänemark und deutsche Nordseeküste.

„Urlaub mit der Ente?“, „Hält die das durch?“,  „Wie lange seid ihr unterwegs?“ (im Sinne von: na unter zwei Monaten ist das sicher nicht zu schaffen…), „Was?“ (im Sinne von: seid ihr jetzt schon total deppert?) Typische Fragen von Freunden und Bekannten als Reaktion auf die simple Ankündigung, dass wir heuer unsere Urlaubsreise mit dem Citroen 2cv und an der Ost- und Nordsee verbringen werden. Und dass diese als legere, doch spannende, besichtigungsintensive, doch stresslose, jedenfalls als erholsame Tour geplant ist.

Entspannung und Abbau der vor allem beruflich angesammelten Stresshormone kann ich an den breiten Sandstränden der Ostsee, bei einem Spaziergang bloßfüßig im Gatsch (Schlick) des nordfriesischen Wattenmeeres oder einfach durch ab und zu Spätfrühstücken im Hotel sicher finden. Falls mir nicht eine vom Büro mitgenommene „Altlast“ das Abschalten erschwert, mich in die norddeutsche Variante der Liegestuhl-Depression, den Strandkorb-Blues, zwingt. Aber ich habe eine bewährte Methode, einem sich auch nur zaghaft anschleichenden Trübsinn- oder Ungedulds-Syndrömchen zu begegnen. Eine Therapie, die Ärzte, Psychologen und Stressmanager nicht (mehr) kennen. Ich reise mit der Ente.

Ich verzichte (großteils und soweit möglich und sinnvoll) auf Autobahnen, damit auf Hektik, Ungeduld, lästige LKWs und nervige Wohnwägen. Vermeide Baustellen, Stau und Kolonnen und damit  Wutausbrüche und Flüche (meinerseits) sowie Kommentare und energische Empfehlungen (seitens meiner beifahrenden Frau). Ich chauffiere lässig und gelassen. Überhole (fast) nicht, sondern werde überholt. Unsere Route führt überwiegend nicht über monotone Schnellstraßen und entlang von Schallschutzmauern, sondern durch Ruhe und Muße ausstrahlende Landschaften. Durch grüne Täler, fast fußgängerlose Dörfer und Städtchen mit alten Gemäuern und unjungen Plattenbauten. Entlang von Bächen und Flüssen. Durch böhmische und sächsische Berge ins deutsche Flachland. Durch das offene Dach und das kühn geöffnete Klappfenster dringen Wald- und  Wiesendüfte (manchmal überdeckt von zartem Felddünger-Odeur). Später wird es die reine und immunsystemstärkende Luft von Ost- und Nordsee sein, deren maritime Aerosol-Partikel auf unsere Windschutzscheibe prasseln. Dann durch die Lüftungsklappe (die Aircondition des 2cv), durch Nase und  Mund strömen und unsere Bronchien stärken. Die sensible und hochkomfortable Federung der Ente, die leichten, sich bereits ab dem 3.Gang an meine Herzfrequenz anpassenden Schwingungen, fördern zusätzlich Relaxtheit und Wohlbefinden. 

Atemlos durch den Tag ist eine Folge des bei uns schon ab dem Kindergartenalter mitgegebenen, protestantisch vorwurfsvollen „Müßiggang ist aller Laster Anfang“. Zumindest während unserer Urlaubsreise ist Muße angesagt, hinter dem Entenheck verschwindet die Schnelllebigkeit des Alltags. Abschalten („chill einmal“, würde Sohn Andreas sagen), keine durchgetaktete Freizeit, keine innere Bremse. Im 2cv mutiere ich zum entspannten, flanierenden Müßigfahrer. Ich (ver)reise UND mache Urlaub. Slow Travel wäre das aktuelle Modewort. Entenfahren, noch dazu bei offenem Fetzendach, ist wie ein gemütlicher, automobiler Spaziergang, ist ENTschleunigung pur. Unsere Tagesetappen sind kilometermäßig kurz, enthalten aber viel Erlebnis und Begegnung. Ich komme am Tagesziel nicht müde und gereizt, sondern entspannt, mit Freude und Neugier an. Das oft zitierte „der Weg ist das Ziel“ stimmt auch diesmal, ist aber nur Teil. Unsere Urlaubsreise besteht aus Weg UND Ziel. 

In der Ente ist viel Platz. Begleiten Sie uns auf einigen Wegen und Zielen nördlich der Donau!

Zum Kapitel 2: Los geht's nach Tschechien  >>>

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